Krisengefüge der Künste
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Programm der Jahrestagung 2019

Kulturpolitische Dynamiken in den darstellenden Künsten. Legitimation, Steuerung, Aushandlungsprozesse

28.11.2019 – 29.11.2019

Donnerstag, 28. November: 9:30 – 16:00 Uhr
Freitag, 29. November: 9:30 – 15:30 Uhr

Ort: Studiobühne TWM
Eingang: Am Kosttor, München

Kostenfreie Anmeldung unter krisengefuege@lmu.de

Mit der deutschen Kulturpolitik im Fokus präsentiert die DFG-Forschungsgruppe Krisengefüge der Künste zur Jahreskonferenz 2019 erste Forschungsergebnisse aus den Teilprojekten und geht Wechselwirkungen nach: Wie stark bilden sich kulturpolitische Entscheidungen und Strategien in den darstellenden Künsten ab bzw. an welchen Erfolgsparametern ‚gelungenen Theaters' werden kulturpolitische Akteure und Konzepte gemessen?

Schon länger steht die traditionell rahmengebende Kulturpolitik auf dem Prüfstand. Seit Jahrzehnten sind ökonomische Legitimationsmuster etabliert, z.B. die Annahme des grundsätzlichen Marktversagens bei der Bereitstellung kultureller Güter oder die Erwartung einer erhöhten Standortattraktivität durch Kulturangebote. Diesen stehen kulturpolitische Maßgaben kultureller Bildung und Partizipation gegenüber wie auch das Konzept eines ‚marketplace of ideas'. Idealtypisch ist Kreativität hiernach im gerechten Wettbewerb förderungs-, gestaltungs- und entwicklungsfähig. Die Forschungsgruppe geht den Argumentationslinien im Kontext kulturföderalistischer Kooperation und Konkurrenz nach. In Bezug auf jüngere Entwicklungen und Kontinuitäten lauten die Themenfelder der Konferenz:

• politische und zivilgesellschaftliche Legitimation von Theater und deren Aushandlungsprozesse
• die Stadtgesellschaft als Paradigma zunehmend heterogener öffentlicher Interessen und Anspruchsgruppen
• kulturpolitische Steuerungsmodelle für die darstellenden Künste
• Innovation und Nachhaltigkeit
• De- und Re-Institutionalisierung von Theater
• Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Theaterschaffenden zwischen Festanstellung und (Projekt-)Förderung

Auf dieser Seite finden Sie:

eine Programmübersicht
Abstracts der Panels und Titel der Vorträge
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Programmübersicht

Donnerstag, 28. November

9:30 - 11:45
Panel I: Zwischen Aushandlung und Direktive – Kulturpolitische Steuerungsmodelle und Theater

Mit: Christopher Balme, Johannes Crückeberg, Julia Glesner, Ulrike Hartung, Anno Mungen, Gerald Siegmund, Moritz Steinhauer

11:45 - 12:45
Mittagspause

12:45 - 13:30
Gastvortrag: Die kulturpolitische Wirkmacht von Förderprogrammen

Von Kirsten Haß

13:40 - 16:00
Panel II: Theater im Kampf um Anerkennung – Legitimitätsdiskurse und Legitimationsstrategien

Mit: Silke zum Eschenhoff, Axel Haunschild, Benjamin Hoesch, Bianca Michaels, Sebastian Stauss, Anja Quickert

 

Freitag, 29. November

9:30 - 11:00
Panel III: "Passion als Beruf?": Erste Ergebnisse der Mitarbeiter*innenbefragung an sechs Stadttheatern

Mit: Lara Althoff, Christopher Balme, Axel Haunschild, Alexandra Manske, Eckhard Priller, Annette Zimmer

11:00 - 11:30
Pause

11:30 - 13:45
Panel IV: Das (un-)entbehrliche Theater? Die veränderte Rolle der (Stadt-)theater in einer pluralisierten Stadtgesellschaft

Mit: Charlotte Burghardt, Hilko Eilts, Birgit Mandel, Lukas Stempel

13:45 - 14:15
Pause

14:15 - 15:30
Abschluss der Tagung mit Respondent Max Fuchs


Abstracts

Donnerstag, 28. November

Panel I: Zwischen Aushandlung und Direktive – Kulturpolitische Steuerungsmodelle und Theater

Leitung: Christopher Balme, Anno Mungen, Gerald Siegmund

Kulturpolitische Akteure nehmen Einfluss auf die Theaterlandschaft. Im Bereich der Stadt- und Staatstheater kann mittelbare Steuerung durch Personalentscheidungen oder Förderstrukturen erfolgen. Institutionelle Förderung, besonders aber die Vergabe von Projektmittel offenbart einen noch größeren Einfluss kulturpolitischer Akteure auf die Theater. Aber auch die unmittelbare Steuerung, zum Beispiel durch diskursive Einmischung, ist ein probates Mittel kulturpolitischer Steuerung. In diesem Panel wird die kulturpolitische Steuerung von Theatern zum einen de jure – also mit einem Fokus auf die rechtlichen Rahmenbedingungen – zum anderen aber auch de facto – also durch die Betrachtung tatsächlicher Steuerung – analysiert. Anhand von Fallbeispielen wird diskutiert, welche kulturpolitischen Steuerungsinstrumente zur Verfügung stehen und welche in der Praxis Anwendung finden. Zur Kontextualisierung wird eine historische Entwicklung von Steuerung vorgenommen. Dabei wird sowohl die Perspektive der kulturpolitischen Akteure als auch die der geförderten Theater beleuchtet und diskutiert, inwiefern Steuerung in direktiver Form oder in Aushandlungsprozessen eingesetzt wird, welche Potentiale und Probleme sich aus dieser Form der kulturpolitischen „Einmischung“ ergeben und wie sich die Theaterlandschaft durch diese Einflussnahme verändert.

 

Christopher Balme (TP1) & Gerald Siegmund (TP6): Einführung in das Panel

Moritz Steinhauer & Johannes Crückeberg (TP3 & TP7): Steuerungsmodelle und ihr Einfluss auf die kommunale Theaterverwaltung

Ulrike Hartung & Anno Mungen (TP5): Kulturbetrieb als Schlangengrube – Kulturpolitische Steuerung de facto und de jure anhand der ‚Causa Binder‘

Julia Glesner (Gast): Bedingung und Freiheit: Theaterbetriebe zwischen kulturpolitischem Auftrag und zivilem Ungehorsam


Gastvortrag: Die kulturpolitische Wirkmacht von Förderprogrammen
Von Kirsten Haß (Leiterin Förderung und Programme der Kulturstiftung des Bundes)

Die Kulturstiftung des Bundes reagiert mit ihren antragsoffenen Förderprogramme auf Bedarfe aus den jeweiligen Kulturfeldern. Gleichzeitig setzt sie mit ihnen Impulse und wirkt als kulturpolitischer Player steuernd auf Institutionen ein. Der Vortrag reflektiert Absichten, Mechanismen und Wirkungen von Fördermaßnahmen in den Darstellenden Künsten auf Bundesebene und zeigt auch die Grenzen der Wirksamkeit auf.

Kirsten Haß studierte Neuere Deutsche Literatur, Linguistik und Publizistik an der FU Berlin und leitete bis 1994 den Bereich Veranstaltungen und Öffentlichkeit einer großen Buchhandlung in Berlin. Danach wechselte sie als Geschäftsführerin zum Landesverband Freier Theater in Niedersachsen. Bis 2006 war sie Sprecherin der Freien Kulturverbände Niedersachsen sowie geschäftsführende Vorsitzende des Bundesverbands Freier Theater und wurde in zahlreiche Fachbeiräte für Theaterförderung und Soziokultur sowie als Beirätin in die Künstlersozialkasse berufen. Daneben bildete das Thema Evaluation im Kulturbereich einen Schwerpunkt ihrer Vortrags- und Seminartätigkeit. 2007 nahm sie ihre Arbeit bei der Kulturstiftung des Bundes zunächst als Leiterin der Allgemeinen Projektförderung auf und leitet seit 2010 den Förder- und Programmbereich der Stiftung. Ab 2020 wechselt Kirsten Haß auf die Position der Verwaltungsdirektorin und bildet gemeinsam mit Hortensia Völckers den Vorstand der Kulturstiftung des Bundes. 

 

Panel II: Theater im Kampf um Anerkennung – Legitimitätsdiskurse und Legitimationsstrategien

Leitung: Axel Haunschild, Bianca Michaels

Eine Institution wie das Theater erhält ihre Stellung in der Gesellschaft durch Legitimität, d.h. ihre soziale wie kulturelle Anerkennung und Wertschätzung. Diese Legitimität ist jedoch nicht einfach gegeben, sondern muss in Argumentationsstrategien und Aushandlungsprozessen immer wieder gesucht und hergestellt werden. Der Legitimationsbedarf betrifft individuelle und kollektive kulturpolitische Akteur*innen auf allen Ebenen sowie ihre gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnisse: Die Politik muss im Ressortstreit die Bedeutung des Theaters abwägen und zugleich ihre Entscheidungen über die Verteilung knapper Mittel gegenüber den zahlreichen Anspruchsgruppen verteidigen; die Theater bewegen sich im Rahmen kulturpolitischer Vorgaben und erfüllen und/oder konterkarieren gesellschaftliche Erwartungen, um als möglichst förderwürdig zu gelten; Künstler*innen bewerben sich um Engagements und Zuwendungen, organisieren sich aber auch zunehmend zu eigenen Interessensverbänden, die sich direkt in kulturpolitische Verhandlungen einschalten. Alle Akteur*innen richten sich dabei immer auch an die Öffentlichkeit, die sowohl Medium der Auseinandersetzung als auch Adressat der Legitimationsbemühungen ist und mit ihrer Aufmerksamkeit eine bedeutsame Stimme im Legitimitätsdiskurs darstellt. Das Panel zeichnet Dynamiken und Effekte dieser Aushandlungsprozesse anhand von Fallstudien aus Forschungsprojekten zu Vermittlung, Freier Szene, Nachwuchsförderung und theaternahem Rahmenprogramm nach und betrachtet hierbei die verschiedenen Ebenen und Verknüpfungspunkte von kulturpolitischer Förderung sowie bundespolitischen bis hin zu kommunalen Initiativen. In Kurzvorträgen und einer anschließenden Podiumsdiskussion werden zusammenhängende Mechanismen und gemeinsame Tendenzen zum Ausgang des Kampfes um Anerkennung ermittelt.

Axel Haunschild (TP2): Einführung in das Panel

Sebastian Stauss (TP1): Zwischen künstlerischer Qualitätssicherung und Öffnung für neues Publikum. Staatstheater und kulturpolitische Maßgaben am Beispiel Hannover

Silke zum Eschenhoff (TP2): Ein Versprechen auf die Zukunft. Der Einfluss der Förderung auf Arbeitsbedingungen und Theaterästhetiken am Beispiel der Freien Szene in Niedersachsen

Anja Quickert (TP2): Krisendiskurse und Agenda-Setting in der Freien Theaterszene Berlins als Re-Politisierung des künstlerischen Diskurses

Benjamin Hoesch (TP6): Nachwuchsförderung als Legitimationsmythos

Bianca Michaels (TP4): Das soziale Mandat? Programmplanung öffentlich getragener Theater unter Legitimationsdruck

• Podiumsdiskussion

 

Freitag, 29. November

Panel III: "Passion als Beruf?": Erste Ergebnisse der Mitarbeiter*innenbefragung an sechs Stadttheatern

Leitung: Christopher Balme, Annette Zimmer

In den letzten Jahren haben umfassende Veränderungen an den deutschen Stadttheatern stattgefunden. Wie wirken sich diese auf die Arbeitsbedingungen und Beschäftigungsverhältnisse aus? Wie sehen die Mitarbeiter*innen die Zukunft ihres Theaters? Wie bewerten sie ihre persönliche Arbeitssituation und wie sehen sie ihre beruflichen Perspektiven? Und welche Erwartungen haben die Mitarbeiter*innen der Häuser an ihr Theater als Arbeitgeber sowie als Ort künstlerischer Innovation? Diese Fragen stehen im Zentrum einer umfassenden Befragung von Theaterschaffenden und Mitarbeiter*innen an ausgewählten Stadttheatern in NRW und in Ostdeutschland. Die Novembertagung 2019 des Projektverbundes dient als Arena zur Vorstellung und Diskussion erster Ergebnisse der Befragung.

• Einführung

Annette Zimmer (TP7): Aufbau und Anlage der Untersuchung: „Passion als Beruf?“

Eckhard Priller (TP7): Zur Beschäftigungssituation und den Arbeitsbedingungen – erste Ergebnisse der Befragung „Passion als Beruf?“

Lara Althoff (TP7): Gemeinsamkeiten und Unterschiede: Die untersuchten Theater im Vergleich

Eckhard Priller & Annette Zimmer (TP7): Herausforderungen, Innovationen und Zukunftserwartungen – aus der Perspektive der Mitarbeiter*innen

• Discussants: Axel Haunschild (TP2) & Alexandra Manske (Assoziiertes Mitglied der Forschungsgruppe)

• Podiumsdiskussion

 

Panel IV: Das (un-)entbehrliche Theater? Die veränderte Rolle der (Stadt-)theater in einer pluralisierten Stadtgesellschaft

Leitung: Birgit Mandel

Die Verankerung der öffentlich geförderten Theater in der ‚Stadtgesellschaft‘ gilt als wesentlich für deren kulturpolitische Legitimation. Dafür muss Theater in der breiten Bevölkerung als wertvoll und unverzichtbar
gelten, also auch bei denjenigen, die Theaterangebote selbst nicht nutzen. Wie wird das öffentliche Theater in der Stadtbevölkerung wahrgenommen? Welche Aufgaben sollen die (Stadt-)theater aus Sicht der Bevölkerung haben? Wie nehmen die Theaterschaffenden selbst ihre Aufgabe als (Stadt-)theater wahr, was wissen sie über die Erwartungen ihres potentiellen Publikums und wie reagieren sie darauf? Welche Programme werden neu entwickelt mit welcher Resonanz? Liegt die Zukunft der Stadttheater im Format der Bürgerbühne? Oder sind
die Theater mit all diesen neuen Aufgaben und Formaten hoffnungslos überfordert?
Wahrnehmbar ist, dass Theater ihre Aufgaben über die Präsentation von Stücken hinaus erweitern, um ihre Legitimität in einer sich ausdifferenzierenden ‚Stadtgesellschaft‘ zu sichern. Sie wollen zu ‚dritten Orten‘ werden, wo sich eine heterogene Bevölkerung treffen und über gemeinsame ästhetische und kulturelle Erfahrungen als Stadtgesellschaft formieren kann. Darüber hinaus setzen immer mehr Theater ihre Expertise und Ressourcen auch außerhalb ihrer Theaterhäuser in städtischen Projekten ein im Sinne eines Katalysators für Prozesse des Community Building und der kulturellen Stadtentwicklung. Dabei erfährt vor allem die Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund innerhalb der von kulturpolitischen Akteuren definierten Anspruchsgruppen aktuell
besondere Aufmerksamkeit.

Birgit Mandel (TP3): Einführung in das Panel und Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung über Einstellungen zum öffentlich geförderten Theater

Charlotte Burghardt (TP3): "Der Blick nach draußen." Die Rolle der Stadttheater in der Stadtgesellschaft sowie die vermuteten Ansprüche des Publikums aus Sicht der Theaterschaffenden

Hilko Eilts (Assoziiertes Mitglied der Forschungsgruppe): Diversifizierung der Programme der Stadt- und Staatstheater als Reaktion auf die veränderte Stadtgesellschaft

Lukas Stempel (TP4): „Authentische“ Inszenierung von Stadtgesellschaft(en)? Neue(re) partizipative Theaterformen und deren Auswirkungen auf die Institution Stadttheater

• Das (un-)entbehrliche Theater? Die veränderte Rolle der (Stadt-)theater in einer pluralisierten Stadtgesellschaft – Diskussion von vier Thesen in kleineren Gruppen

 

Abschluss der Tagung mit Respondent Max Fuchs

Prof. Dr. Max Fuchs ist Honorarprofessor für Erziehungswissenschaft an der Universität Duisburg-Essen. Er studierte Mathematik (Diplom) und Erziehungswissenschaft (Promotion in historischer Bildungsforschung), war Lehrer für Mathematik und anschließend 25 Jahre lang Leiter der Bundesakademie Remscheid für Kulturelle Bildung. Er war Vorsitzender der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung und Präsident des Deutschen Kulturrates (bis 2013). Als Gastdozent für Kultur- und Kunsttheorie sowie Kulturpolitik lehrt er an den Universitäten Hamburg und Basel. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte sind: Konstitution von Subjektivität und Bildungstheorie sowie Kulturpolitikforschung. Letzte Veröffentlichungen: Rechtes Denken und Kulturpessimismus 2019, Technik als Kultur 2019, Die Kulturschule und kulturelle Schulentwicklung 2018. Homepage: www.maxfuchs.eu

  

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