Krisengefüge der Künste
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Teilprojekt 4: Von Bürgerbühnen und Stadtprojekten — Neu-Formatierung als Symptom des institutionellen Wandels im gegenwärtigen deutschen Stadt- und Staatstheater

Ludwig-Maximilians-Universität München
Institut für Theaterwissenschaft

Leitung: Dr. Bianca Michaels 

Mitarbeit: Lukas Stempel, M.A. 

 

„Unsere Kunst- und Kulturinstitutionen sind allesamt das Ergebnis einer künstlerischen Praxis vergangener Jahrhunderte; und unsere Theater-, Opern-, Konzert-Häuser sind in Stein gehauene Strukturen“ (Goebbels 2013). Starre Strukturen, Reformunfähigkeit und Inflexibilität werden insbesondere in den öffentlich getragenen Stadt- und Staatstheatern dafür verantwortlich gemacht, dass die Theater zunehmend Schwierigkeiten haben, ihre Existenz und die damit einhergehenden ökonomischen Belastungen für die jeweiligen Träger zu legitimieren. Trotz dieser im öffentlichen Diskurs allgegenwärtig erscheinenden Erstarrung der Stadt- und Staatstheater sind innerhalb der vergangenen 15 Jahre in der Spielplangestaltung der Häuser bereits quantitativ signifikante Veränderungen zu beobachten: Während die Anzahl der Veranstaltungen bei den Neuinszenierungen im Bereich Schauspiel keine auffälligen Schwankungen festzustellen sind, verzeichnet der Deutsche Bühnenverein in seiner jährlich erscheinenden Theaterstatistik an anderer Stelle signifikante Veränderungen: Allein die Gesamtsumme der Veranstaltungen der sogenannten „fünften Sparte“ hat sich in den vergangenen 15 Jahren verdreifacht. Es handelt sich bei den dort zusammengefassten Veranstaltungen um verschiedene Formen wie beispielsweise szenische Lesungen, Performances, Konzerte, Workshops etc. Darüber hinaus sind zahlreiche neue Formen im Programmangebot zu verzeichnen, wie z.B. weitreichende Kulturvermittlungsangebote, partizipative Projekte und
ortsspezifische Stückentwicklungen.

Während die ökonomischen Krisendiskurse allgegenwärtig sind, die darunterliegenden Legitimationsdefizite zumindest ansatzweise im Blick der Diskussion sichtbar sind, bleibt ein anderer Aspekt der Krisendimension im öffentlichen Diskurs wie auch in der bisherigen Forschung bislang vernachlässigt: das Spannungsfeld aus ererbten und noch immer existierenden Funktionszuschreibungen des öffentlich getragenen Theaters, aktuellen gesellschafts- und kulturpolitischen Anforderungen an eine öffentlich getragene Institution in einer demokratischen Gesellschaft angesichts des gesellschaftlichen und demographischen Wandels, neuen Förderlogiken und der aktuellen ästhetischen Praxis. Aus diesem Spannungsfeld - so die Prämisse des Teilprojekts - resultiert eine fundamentale und als krisenhaft zu beschreibende Verunsicherung gegenüber dem Theater als öffentlich getragener Institution in Bezug auf ihre gesellschaftlichen Funktionen und ihre Bedeutung - sowohl hinsichtlich des Selbstverständnisses der Theaterakteure wie auch in der Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Dem Projekt liegt die Annahme zugrunde, dass im Zuge der aktuellen gesellschaftlichen und (kultur-)politischen Transformationsprozesse die öffentlich getragenen Theater mit einem steigenden Anpassungsdruck konfrontiert sind und die neu entstehenden Formen vor dem Hintergrund dieses Anpassungsdrucks zu untersuchen sind.

Die in diesem Teilprojekt zu untersuchenden Formen können einerseits als Bewältigungsstrategien der Theater in einer als krisenhaft wahrgenommenen Situation betrachtet werden, sowie andererseits als Faktoren, welche insbesondere das oben genannte Spannungsfeld zwischen Theater als Institution bürgerlicher Selbstvergewisserung und Theater als städtischer Plattform mit einer zunehmenden programmatischen Öffnung weiter verschärfen und die gegenwärtigen Transformationsprozesse beschleunigen. Ausgehend davon setzt sich das Teilprojekt zum Ziel, die Frage zu untersuchen, warum besonders in den vergangenen 15 Jahren die Anzahl neuer Formen zunimmt, wie die Formen zu klassifizieren sind und ob bzw. inwiefern diese auch die Strukturen von Theater als Institution verändern. Die Veränderungen – so die Ausgangsthese - können nicht nur als pragmatische Reaktion auf aktuelle kulturpolitische Anreizsysteme, temporäre Modeerscheinungen oder als Symptom einer ökonomischen und/oder kulturpolitischen Krisensituation zahlreicher öffentlich getragenen Theater betrachtet werden, sondern richten zugleich den Blick auf das Stadttheater als Institution und einen gerade sich vollziehenden Wandel derselben.


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