Krisengefüge der Künste
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Theater nach der Corona-Krise: Auswirkungen und institutioneller Wandel

Leitung: Prof. Dr. Christopher Balme

Mitarbeit: Dr. Thomas Fabian Eder

 

Die Corona-Krise stellt den Kulturbereich vor große Herausforderungen. Institutionentheoretisch handelt es sich bei der gegenwärtigen Situation um einen exogenen Schock, der die durch Pfadabhängigkeit bedingte starke Beharrungskraft des Theaters aufbrechen und zu institutionellen Veränderungen führen kann. Die Auswirkungen der Krise werden unter Bezugnahme auf die folgenden Forschungsfelder durch das Projekt Theater nach der Corona-Krise: Auswirkungen und institutioneller Wandel untersucht.

Heterogenisierung der Arbeit: Am offensichtlichsten manifestiert sich die Krise durch ökonomische Einbußen. Die Prekarität der Arbeitsbedingungen in den darstellenden Künsten wird potenziert. Extrem betroffen ist die Freie Szene, aber auch freischaffende Künstler*innen an öffentlichen Theatern verlieren ihre Beschäftigungsmöglichkeiten. Die ohnehin bereits thematisierten Unzulänglichkeiten theatraler Beschäftigungsverhältnisse erhalten nun also noch mehr Unterstützung und könnten zu einer Polarisierung der Arbeitsbeziehungen an öffentlichen Theatern führen.

(De-)Legitimation: Die emphatisch proklamierte Präsenzästhetik (Fischer-Lichte 2004) als Bedingung für die darstellenden Künste erweist sich als Risikofaktor für die Verbreitung von Viren. Davon ist zum einen das Prinzip der Mobilität infrage gestellt. Zum anderen stellt sich die Frage nach dem Lokalitätsprinzip als dominantem Legitimationsargument für das dichte Netz an Kultureinrichtungen in Deutschland. Durch die plötzliche Verfügbarkeit von Online-Angeboten könnten neue Diskussionen dazu aufflammen, ob die kulturelle Daseinsvorsorge vielleicht nicht doch anders organisiert werden soll.

Governance: Ökonom*innen scheinen sich einig, dass eine tiefe Rezession unvermeidbar ist. Als Folgeerscheinung der gestiegenen Verschuldung sind Budgetkürzungen und Umstrukturierungen im Kultursektor zu erwarten. Die Governance-Perspektive erlaubt eine präzise Beobachtung der Wechselbeziehung zwischen makro- und mikroökonomischen Faktoren bei der Neujustierung der Theaterarbeit nach der Krise. Da alle Länder gleichermaßen von der Krise betroffen sind, lässt sich beobachten, ob es sowohl im deutschlandweiten wie auch im europäischen Vergleich zu isomorphen Angleichungstendenzen kommt, indem Systeme voneinander lernen.

Ästhetisch: Neben der erwähnten Problematik der Ko-Präsenz soll untersucht werden, ob ästhetische Tendenzen, die sich vor der Krise durchsetzten, fortgeschrieben werden, sich verstärken oder abschwächen. Es könnte sowohl zu einer Rückbesinnung auf das Althergebrachte als auch zur Freisetzung von reformatorischer Energie kommen. Von besonderem Interesse ist der Umzug ins Internet, der bislang augenfälligsten ästhetischen Reaktion auf die Pandemie.

Internationalisierung: Einreisestopps gehören weltweit zu den am frühesten verhängten Anordnungen. Die internationalisierte Theaterproduktion kommt so nicht nur zum plötzlichen Erliegen, sondern muss auch aller Planbarkeitsperspektiven entbehren. Trotzdem ist der komparative Blick in andere Länder und Regionen zentraler Bestandteil des aktuellen Krisendiskurses: Die Strategien zur Wiederaufnahme des Spielbetriebs oder zur Nothilfe sollen international verglichen werden. Zudem wird untersucht, mit welchen organisationalen Praktiken die Internationalisierung zwischen nationalen Theatersystemen aufrechterhalten oder wieder aufgenommen wird.

Das vorgesehene Arbeitsprogramm der Teilprojekte bietet das Gerüst, mit dem man dieses neue Krisenphänomen erfassen und untersuchen kann. Die oben beschrieben Forschungsfelder bilden die Grundlage für ein Forschungsdesign, bestehend aus einer modular konzipierten Umfrage, die den Teilprojekten an die Hand gegeben und an ausgewählten Theatern umgesetzt wird.


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