Krisengefüge der Künste
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Jahrestagung 2018: „Krise als Motor? Theater zwischen Stillstand und Wandel“

im Rahmen des Festivals Politik im Freien Theater

07.11.2018 – 08.11.2018

Mittwoch, 7. November: 9.30 - 18.00 Uhr
Donnerstag, 8. November: 9.30 - 13.30 Uhr

Ort: Studiobühne TWM,
Eingang: Am Kosttor
München

Kostenfreie Anmeldung unter krisengefuege@lmu.de

Die ortsverteilte Forschungsgruppe Krisengefüge der Künste setzt sich aus Teilprojekten der Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen und nimmt vor allem Veränderungen und Beharrungstendenzen im gegenwärtigen deutschen Theater in den Fokus. Die These der Forschungsgruppe ist, dass Krisendiskurse nicht nur eine destabilisierende, sondern vielmehr eine aktivierende und transformierende Funktion haben. Sind Krisendiskurse und ihre Ursachen nicht nur Symptom, sondern auch Motor der Veränderung institutioneller Blockaden und Stillstände?

Die Wissenschaftler*innen stellen die Projekte vor und diskutieren ihre Thesen mit Gästen aus der Praxis.

Auf dieser Seite finden Sie:

Programmübersicht

Mittwoch, 7. November

9:45 – 11:15
Theater und kulturpolitische Agenda
Anwendungsorientierte Analyse an Theatern in München, Dortmund und Rostock

Mit: Johannes Crückeberg, Hilko Eilts, Eckhard Priller, Sebastian Stauss, Annette Zimmer

11:45 – 13:15
Förderstrukturen und Arbeitsbedingungen
Reich? Über das Aufbegehren in den (freien) darstellenden Künsten

Mit: Silke zum Eschenhoff, Christoph Gurk, Axel Haunschild, Mara Käser, Anja Quickert, Anne Schneider, Franziska Schößler, Veit Sprenger

13:15 - 14:15
Mittagspause

14:15 – 15:15
Strukturwandel der Kulturnachfrage
Ansprüche an Stadt- und Staatstheater aus der Perspektive der Bevölkerung und der Kulturpolitik

Mit: Charlotte Burghardt, Birgit Mandel, Moritz Steinhauer

15:45 – 17:45
Key Note und Podiumsgespräch
Mit: Peter Walgenbach, Christopher Balme, Axel Haunschild und Annette Zimmer

Donnerstag, 8. November

9:30 – 10:30
Change Agents wider die Krise?
Staatlich geförderte „interkulturelle Öffnung“ an der Oper Dortmund

Mit: Günfer Çölgeçen, Merle Fahrholz, Ulrike Hartung

10:45 – 11:45
Nachwuchskünstler*innen als Innovationshoffnung
Biografische Krise, ästhetisches Risiko?

Mit: Barbara Engelhardt, Benjamin Hoesch, Gerald Siegmund

12:00 – 13:15
Partizipative Formate
Laien als Innovationstreiber für neue Formate am öffentlich getragenen Stadt- und Staatstheater?

Mit: Elisabeth Luft, Bianca Michaels, Lukas Stempel

 

Abstracts und Kurzbiografien

Mittwoch, 7. November

Theater und kulturpolitische Agenda. Anwendungsorientierte Analyse an Theatern in München, Dortmund und Rostock

9:45 – 11:15
Mit: Johannes Crückeberg, Hilko Eilts, Eckhard Priller, Sebastian Stauss, Annette Zimmer

Seit den 1970er Jahren gibt es eine lebhafte Diskussion zu den kulturpolitischen Konzeptionen in Deutschland: Zu Beginn forderte die „neuen Kulturpolitik“ die Demokratisierung der Gesellschaft durch Kultur und etablierte die Soziokultur. Heute hingegen prägt häufig Richard Floridas Konzept der kreativen Klasse die Diskussionen um (kommunale) Kulturpolitiken: Kultur wird im Wettbewerb um die kreativen Klassen als Standortfaktor verstanden.
Diese und weitere kulturpolitische Konzeptionen sollen in diesem Panel an den Beispielen des Volkstheaters Rostock, des Theaters Dortmund und des Münchner Marstalls untersucht werden.
Das Volkstheater Rostock hat hierbei nach der Wende als politischem, gesellschaftlichem und kulturellen Schock eine lange Krisenzeit mit großen Personalkürzungen und einer hohen Fluktuation in der Leitungsebene hinter sich. Kulturpolitik auf kommunaler und Landesebene wurde hierbei häufig von dritter Seite als ideenlos und kulturfremd agierend beschrieben.
Das Theater Dortmund entwickelt sich hingegen seit 2010 positiv, wachsende Besucherzahlen und bundesweite Aufmerksamkeit zeugen davon. Kommunale Kulturpolitik hat hierbei nicht nur Geschick bei der Personalwahl bewiesen, sondern zeigt auch sonst, dass das Theater in die kulturpolitischen Grundstrategien der Stadt eingebunden ist.

Zuletzt der Münchner Marstall: Die Spielstätte durchlief als Vermittlungsebene mehrere Stationen eines Wandels: Seit den 1970er Jahren war sie Experimentierbühne und Labor der Bayerischen Staatsoper, bevor sie in den 90er Jahren – und in verschiedenen Abstufungen bis heute – verstärkt vom Staatsschauspiel, auch zur Erprobung neuer Formate, genutzt wurde. Dabei spielten zwischenzeitlich auch kulturpolitische Konzeptionen auf kommunaler Ebene ihre Rolle in der Weiterentwicklung der Bühne.

Insgesamt soll in diesem Panel so die Verflechtung zwischen Kulturpolitik und Theater vor allem in Zeiten von Krise und Wandel skizziert werden.

Gast:
Hilko Eilts promoviert am Institut für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin über Transformationsprozesse im deutschen Stadttheatersystem seit der Wende und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Hannover im Studiengang Szenografie, Kostüm und experimentelle Gestaltung. Zuvor war er als Dramaturg am Theater Bremen, Theater Augsburg sowie am Theater Osnabrück tätig sowie freischaffend als Festivalleiter (Spieltriebe-Festival Osnabrück und Outnow!-Festival der Schwankhalle Bremen).

Forschungsgruppenmitglieder des DFG-Teilprojekts
Passion als Beruf – Karriere und Arbeitssituation des künstlerischen, technischen und administrativen Personals an ausgewählten Mehrspartenbühnen in NRW und den neuen Bundesländern

Westfälische Wilhelms-Universität Münster/ Institut für Politikwissenschaft, Maecenata Institut für Philanthropie und Zivilgesellschaft, Berlin:

Johannes Crückeberg ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Münster und promoviert zum Thema „Künstlerresidenzen in der Auswärtigen Kulturpolitik“. Er hat Europäische Studien, Ökonomie sowie Politik- und Verwaltungswissenschaften in Konstanz, Osnabrück, Port Elizabeth und Paris studiert. Zudem war er als Projektmanager am Goethe-Institut Ramallah und als externer Berater für das Goethe-Institut / Max Mueller Bhavan Bangalore tätig.

Eckhard Priller ist Ökonom und Soziologe, Lehrbeauftragter an mehreren Hochschulen und wissenschaftlicher Co-Direktor des Maecenata Instituts für Philanthropie und Zivilgesellschaft. Schwerpunkt seiner Tätigkeit sind die empirische Forschung zur Zivilgesellschaft, zum bürgerschaftlichen Engagement und zu Spenden. Aktuell arbeitet er als Projektmitarbeiter im Forschungsprojekt „Passion als Beruf? Karriere und Arbeitssituation an Stadttheatern".

Annette Zimmer ist Universitätsprofessorin für Deutsche und Europäische Sozialpolitik und Vergleichende Politikwissenschaft am Institut für Politikwissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Annette Zimmer hat bereits eine Vielzahl von Forschungsprojekten zum Nonprofit Sektor begleitet, darunter auch eine Reihe von EU-Projekten. Darüber hinaus engagiert sie sich im Beirat des Netzwerkes für Frauen und Geschlechterforschung NRW und war President der International Society for Third Sector Research (ISTR). Zudem ist sie Initiatorin des Weiterbildungsstudiengangs „Nonprofit Management and Governance“ an der WWU Münster und leitet das Forschungsprojekt „Passion als Beruf? Karriere und Arbeitssituation an Stadttheatern".

Forschungsgruppenmitglied des DFG-Teilprojekts
Die dritte Ebene — Musiktheatervermittlung und der enkulturative Bruch

Ludwig-Maximilians-Universität München/ Institut für Theaterwissenschaft:
Sebastian Stauss studierte Theaterwissenschaft mit Schwerpunkt Musiktheater an der LMU. Neben Promotion und Lehrtätigkeit arbeitete er als Musikredakteur und freier Autor für verschiedene Medien, wissenschaftliche Zeitschriften und Nachschlagewerke. In der DFG-Forschergruppe Krisengefüge der Künste arbeitet er als Postdoc im Teilprojekt.

 


Förderstrukturen und Arbeitsbedingungen
Reich? Über das Aufbegehren in den (freien) darstellenden Künsten

11:45 – 13:15
Mit: Silke zum Eschenhoff, Christoph Gurk, Axel Haunschild, Mara Käser, Anja Quickert, Anne Schneider, Franziska Schößler, Veit Sprenger

Die Freie Theaterszene hat sich gewandelt. Auf den ersten Blick wurde das Fördersystem an unterschiedlichen Stellen ausgebaut. Der Bund beispielsweise stockte 2017 seine jährliche Beteiligung am Hauptstadtkulturfonds sowie 2018 am Fonds Darstellende Künste auf. Das Land NRW erhöhte 2018 den Etat für die Freien Darstellenden Künste um 50%. Aber auch das 2011 von der Kulturstiftung des Bundes initiierte Programm Doppelpass zielt auf einen strukturellen Wandel. Hybride Arbeitsweisen zwischen der Freien Szene und festen Theaterhäusern sind entstanden. Formen der Projektarbeit und recherchebasierte Stückentwicklungen, lange Zeit Charakteristika der Freien Szene, finde sich vermehrt in festen Theaterhäusern. Die Freie Szene ist insgesamt sichtbarer und selbstbewusster geworden, auch durch selbstorganisierte Bündnisse und politische Aktivitäten. Wie hat sich das Selbstverständnis der Akteure aus der Freien Szene gewandelt? Ist eine höhere Souveränität daraus hervorgegangen? Die Aktivitäten und die stärkere Positionierung des Bundesverbands Freie Darstellende Künste, der Landesverbände, der Koalition Freie Szene, aber auch des ensemble-netzwerks zeigen, wie fragil die ökonomischen und politischen Strukturen der Theater, insbesondere der Freien Szene, nach wie vor sind. Die Forderung einer Mindestgage sowie ein Zuwachs und damit ein größerer Pool von Freien Theatergruppen, die um Fördergelder konkurrieren, sind Beispiele, dass sich trotz Aufstockung des Fördervolumens die ökonomischen Arbeitsbedingungen wenig verändert haben. Zusätzlich werden die Räume für die Freie Szene knapp. Das schränkt die Autonomie ein und führt zu neuen, anderen Formen der Prekarisierung innerhalb der Freien Szene, deren Akteure den Spagat zwischen Konkurrenz und Zusammenschluss austarieren müssen. So prägt auch der zeitgenössische, politische Kontext mit dem Erstarken des Rechtspopulismus die Freie Szene. Neben der gemeinsamen Lobbyarbeit für solide ökonomische Arbeitsverhältnisse, führt auch er zu einer Bündelung und Kollektivierung von Interessen. Hat sich die Freie Szene auch als politischen Akteur entdeckt? Diese Themen, Tendenzen und Trends sind Gegenstand des Panels. Nach einer thematischen Einführung in das Teilprojekt „Markt als Krise: Institutioneller Wandel und Krisendiskurse in der Freien Theaterszene“ folgt ein Gespräch mit Anne Schneider, Veit Sprenger und Christoph Gurk.

Gäste:

Christoph Gurk ist als Mitglied des künstlerischen Leitungsteams der Münchner Kammerspiele (Intendant: Matthias Lilienthal) für die Programmbereiche Freies Theater und Musik zuständig. Nach journalistischen Tätigkeiten, u.a. Chefredakteur der Zeitschrift Spex, war er als Kurator und Dramaturg u.a. an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz sowie im HAU Hebbel am Ufer tätig.

Anne Schneider ist seit 2009 freischaffend als Regisseurin tätig und realisiert regelmäßig Koproduktionen in Berlin und Hamburg, u.a. am Ballhaus Ost, am Theater unterm Dach und am LICHTHOF Theater Hamburg. Sie leitete das KALTSTART Festival und konzipierte anschließend das Festival Hauptsache Frei für die Freie Szene Hamburgs, das sie von 2014-2017 als Künstlerische Leiterin begleitete. Seit Anfang 2017 ist sie Geschäftsführerin des Bundesverbands Freie Darstellende Künste.

Veit Sprenger ist Theatermacher, Autor und Musiker sowie Gründungsmitglied der Theatergruppe Showcase Beat le Mot. Er lehrt unter anderem in Berlin, Hamburg und Oslo und hat 2005 sein Buch „Despoten auf der Bühne – Die Inszenierung von Macht und ihre Abstürze“ veröffentlicht.
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Forschungsgruppenmitglieder des DFG-Teilprojekts
Markt als Krise – Institutioneller Wandel und Krisendiskurse in der Freien Theaterszene

Leibniz Universität Hannover/ Institut für Interdisziplinäre Arbeitswissenschaft, Universität Trier/ Neuere deutsche Literaturwissenschaft:

Silke zum Eschenhoff ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Leibniz Universität Hannover im DFG-Teilprojekt und war u.a. als Produktionsleiterin am HAU Hebbel am Ufer und Dramaturgin bei Theater der Welt 2014 tätig. Nach der stellvertretenden Leitung der Bürgerbühne am Staatsschauspiel Dresden 2014/15 leitete sie von 2016 – 2018 die Mannheimer Bürgerbühne.

Axel Haunschild ist Professor und Direktor des Instituts für interdisziplinäre Arbeitswissenschaft an der Leibniz Universität Hannover und leitet zusammen mit Franziska Schößler das DFG-Teilprojekt. Er forscht u.a. zu neuen Arbeits- und Organisationsformen im Kontext zunehmender Vermarktlichung, zu Beschäftigungsverhältnissen in den Creative bzw. Cultural Industries sowie zu Projektifizierung, Flexibilisierung und Digitalisierung von Erwerbsarbeit. Lehrtätigkeiten führten ihn nach Trier, London und Innsbruck.

Mara Käser ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Leibniz Universität Hannover im DFG-Teilprojekt und promoviert mit einem Stipendium des Cusanuswerks an der Schnittstelle von Theater- und Arbeitswissenschaft. Sie absolvierte ein Masterstudium in Theaterwissenschaft und Kulturmanagement sowie ein Bachelorstudium in Soziologie. Praktische Erfahrungen sammelte sie u.a. bei der Stiftung für die deutsch-französische kulturelle Zusammenarbeit, bei der Unternehmensberatung actori sowie an der Hamburger Kunsthalle.

Anja Quickert ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Trier im DFG-Teilprojekt, lebt in Berlin und schreibt als freie Autorin u.a. für Theater heute. Als Dramaturgin hat sie an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz gearbeitet und in der Freien Szene. Seit 2011 ist sie die Geschäftsführerin der Internationalen Heiner Müller Gesellschaft und verantwortet deren regelmäßige Veranstaltungsreihen, derzeit im Deutschen Theater Berlin. Sie hat die internationale Konferenz "Das Rätsel der Freiheit" mitgeleitet sowie das Theaterfestival "Heiner Müller!" am HAU Hebbel am Ufer 2016.

Franziska Schößler ist Professorin für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Trier und leitet zusammen mit Axel Haunschild das DFG-Teilprojekt. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Gender Studies, Ökonomie und Literatur, Drama und Theater (insb. Gegenwartsdramatik) sowie kulturwissenschaftliche Literaturtheorie.

 


Strukturwandel der Kulturnachfrage
Ansprüche an Stadt- und Staatstheater aus der Perspektive der Bevölkerung und der Kulturpolitik

14:15 – 15:15
Mit: Charlotte Burghardt, Birgit Mandel, Moritz Steinhauer


Die öffentlich subventionierten Stadt- und Staatstheater sehen sich seit Jahren vielfältigen, oftmals widersprüchlichen Erwartungshaltungen unterschiedlicher Anspruchsgruppen gegenüber. Zum einen werden Produktionen von der Fachöffentlichkeit in Hinblick auf ihre künstlerische Qualität und Innovation bewertet, zum anderen sollen bestimmte Publika, wie etwa langjährige Abonnent*innen nicht „verschreckt“ und zugleich neue, junge Zuschauer*innen erschlossen werden. Denn vonseiten der Kulturpolitik wird die gesellschaftliche Legitimation und die Subventionierung oftmals – in Ermangelung von geeigneten Messinstrumenten zur Beurteilung von künstlerischer Qualität – an Besuchszahlen und erwirtschafteten Eigenanteilen festgemacht. Die mit dieser diffizilen Situation konfrontierten Theater, deren kulturpolitische Aufträge vielfach nur vage formuliert sind, müssen jedoch neben solch strategischen Entscheidungen weiterhin ihr Tagesgeschäft bewältigen. Lösungsansätze – etwa zur Akquirierung neuer Publikumsschichten – werden daher oftmals nur als Add-On-Lösung realisiert, sodass es nicht zu einem strukturellen Wandel des Systems der Stadt- und Staatstheater kommt.
Angesichts einer Homogenisierung des Stammpublikums vieler Stadt- und Staatstheater stellt sich aus kulturpolitischer Perspektive die Frage, wie die öffentlich geförderten Theater repräsentativer und relevanter für eine zunehmend diverse Bevölkerung werden können. Welche Erwartungen und welches Image verbinden (Nicht-)Besucher*innen mit dem Stadt- und Staatstheater? Inwieweit findet der Strukturwandel der Kulturnachfrage und die Veränderung kultureller Interessen v.a. durch Migration, Internationalisierung und Digitalisierung Eingang in die kulturpolitischen Aufträge und die Arbeit der Theaterschaffenden? Welche Maßnahmen werden von Theatern und vonseiten der Kulturpolitik ergriffen, um auf die wachsende Diversität der Bevölkerung, die Alterung des traditionellen Stammpublikums und die mangelnde Enkulturation nachfolgender Generationen zu reagieren?
Das Panel thematisiert zunächst, welche Entwicklungen aus kulturpolitischer Perspektive eine „Krise“ des Theaters vermuten lassen, indem Ergebnisse der Analyse entsprechender Diskursorgane aus Kulturpolitik und Theaterfachöffentlichkeit (wie etwa den Kulturpolitische Mitteilungen und Theater der Zeit) vorgestellt werden. Eines der immer wiederkehrenden Themen des Diskurses ist dabei der mögliche Legitimationsverlust der Stadt- und Staatstheater aufgrund der homogenen Zusammensetzung des Publikums. Diese Thematik wird anhand von Ergebnissen aus der empirischen (Nicht-)Besucher*innenforschung beleuchtet. Abschließend werden Erkenntnisse aus Theater-Fallstudien zu Ansätzen vorgestellt, mit denen eine diversere Besucherschaft erreicht werden soll.

Forschungsgruppenmitglieder des DFG-Teilprojekts
Strukturwandel der Kulturnachfrage als Auslöser von Anpassungs- und Innovationsprozessen in deutschen Stadt- und Staatstheatern

Universität Hildesheim/ Institut für Kulturpolitik:

Charlotte Burghardt studierte Theaterwissenschaft und Politikwissenschaften in Leipzig und Kultur- und Medienmanagement in Hamburg. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Teilprojekt an der Universität Hildesheim und promoviert zu Diversität an Stadt- und Staatstheatern.

Birgit Mandel ist Professorin an der Universität Hildesheim und leitet dort den Studienbereich Kulturvermittlung und Kulturmanagement im Institut für Kulturpolitik, sowie den Masterstudiengang Kulturvermittlung. Sie forscht zu Kulturnutzung, Audience Development, Kulturvermittlung, Kultur-PR, (internationales) Kulturmanagement, Cultural Entrepreneurship und Kulturpolitik und ist Leiterin des Teilprojektes „Strukturwandel der Kulturnachfrage als Auslöser von Anpassungs- und Innovationsprozessen an deutschen Stadt- und Staatstheatern“.

Moritz Steinhauer studierte Kulturwissenschaften in Leipzig und Kulturmanagement in Ludwigsburg. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im DFG-Teilprojekt, lehrt an der Universität Hildesheim und promoviert zu Entscheidungsfindungen an Stadt- und Staatstheatern im Zwiespalt zwischen Erwartungen unterschiedlicher Anspruchsgruppen.

 

Key Note und Podiumsgespräch

15:45 – 17:45
Mit: Peter Walgenbach, Christopher Balme, Axel Haunschild und Annette Zimmer

Peter Walgenbach ist Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre/Organisation, Führung und Human Resource Management an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich der neoinstitutionalistischen Organisationstheorie. Er hat eine Reihe von Büchern im Bereich Organisation und Management verfasst und herausgegeben sowie in international führenden Fachzeitschriften im Bereich Organisation und Management publiziert. Er ist ein Senior Editor der internationalen Fachzeitschrift Organization Studies. 2016 hat er den Humboldt-Award des Riksbanken Jubileumsfonds (Schweden) erhalten. Er war Gastwissenschaftler an der Stanford University und der Stockholm School of Economics.

 

 

Donnerstag, 8. November


Change Agents wider die Krise?
Staatlich geförderte „interkulturelle Öffnung“ an der Oper Dortmund


9:30 – 10:30
Mit: Günfer Çölgeçen, Merle Fahrholz, Ulrike Hartung

2017 beschloss die Kulturstiftung des Bundes mit „360° – Fonds für Kulturen der neuen Stadtgesellschaft“ ein Förderprogramm, mit dem sie u. a. durch Einsatz von „Agenten“ die „kulturelle Diversität der Städte in den Programmangeboten, im Personal und im Publikum von Kultureinrichtungen“ fördern möchte. Der aktuelle Status quo orientiere sich nicht am „Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte“ und ihrem Anteil an der Bevölkerung. Zunächst genehmigte die Stiftung die Förderung von „Agenten“ für 17 Kultureinrichtungen mit rund 6 Mio. Euro, darunter 5 Theater, u.a. die Oper Dortmund.

Nach einer kurzen inhaltlichen Hinführung zum Thema soll dieses Panel im Gespräch mit Günfer Çölgeçen, der „Agentin für interkulturelle Öffnung“ an der Oper Dortmund und Merle Fahrholz, der leitenden Musiktheater-Dramaturgin und stellvertretenden Intendantin am selben Haus, das Spannungsfeld zwischen kulturpolitischer Agenda und (musik-)theaterpraktischem Alltag ausloten: Welche Maßnahmen werden erarbeitet, um sich als Einrichtung, wie in der Ausschreibung gefordert, zu „diversifizieren und einen Beitrag zu einer selbstbewussten, Einwanderern gegenüber offenen Gesellschaft so gestalten können, dass die Stadtgesellschaft davon profitiert“? Wie lassen sich diese Anforderungen mit den strukturellen und ästhetischen Anforderungen eines Opernhauses vereinbaren? Welche Auswirkungen haben sie auf die organisationelle Struktur des Hauses, auf das Publikum und nicht zuletzt auf die Ästhetik der Bühnenproduktionen?

Gäste:

Günfer Çölgeçen ist Schauspielerin, Regisseurin und Theaterpädagogin und lebt seit ihrem sechsten Lebensjahr in Deutschland. Zwischen 1992 und 2018 realisierte sie 25 Eigenproduktionen. Von 2012 bis 2016 arbeitete sie zudem mit Ensembles für Neue Musik. Als hybrides Theater der Gegenwart erscheinen ihre aktuellen Arbeiten unter dem von ihr 2009 gegründeten Theaterlabel Freie Radikale. Theaterproduktionen mit migrantischen, postmigrantischen und transkulturellen Themen sind inhaltliche Schwerpunkte ihrer Tätigkeiten als Kulturmanagerin. Im Februar 2017 erschien die Publikation Hybride Kunst. Seit 1994 arbeitet sie zusätzlich als Theaterpädagogin und machte 2017 ihren BUT-Abschluss im Off-Theater Neuss. In der Bandbreite ihrer Arbeiten finden sich inklusive Arbeiten mit Menschen mit Beeinträchtigungen, experimentelle Performances mit SchülerInnen und Zusammenarbeiten mit Menschen, die aus Kriegsgebieten geflüchtet sind. An der Oper Dortmund ist sie seit der Spielzeit 2018/19 als Agentin für Interkulturelle Öffnung tätig.

Merle Fahrholz ist seit der Spielzeit 2018/19 Chefdramaturgin und Stellvertretende Intendantin an der Oper Dortmund. Zuvor war sie als Dramaturgin für Musiktheater am Theater und Orchester Heidelberg (2016 bis 2018) und am Nationaltheater Mannheim (2013 bis 2016) engagiert, von 2007 bis 2013 leitete sie die Musiktheaterdramaturgie des Theaters Biel Solothurn (Schweiz). Sie betreut als Produktionsdramaturgin unterschiedlichste Inszenierungen von Repertoirewerken, selten gespielten Opern und Uraufführungen sowie Stückentwicklungen. Zudem engagiert sie sich im Bereich Kulturvermittlung, so zeigte sie sich u.a. mit Catching fire – Haendel on the Road gemeinsam mit Alvaro Schoeck für ein interkulturelles Händelprojekt verantwortlich, das in mehreren Etappen in Serbien durchgeführt wurde. Am Theater und Orchester Heidelberg organisierte sie darüber hinaus Symposien an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis, u.a. in Zusammenarbeit mit der Universität Heidelberg sowie der UNESCO City of Literature Heidelberg. Sie promovierte 2015 an der Universität Zürich mit einer Arbeit zu Heinrich August Marschners romantischer Oper Der Templer und die Jüdin.

Forschungsgruppenmitglied des DFG-Teilprojekts
Beharrungs- und Bewegungskräfte – Musiktheater im institutionellen Wandel zwischen Musealisierung und neuen Formaten

Universität Bayreuth/ Forschungsinstitut für Musiktheater:

Ulrike Hartung ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsinstitut für Musiktheater Thurnau (fimt) im DFG-Teilprojekt. Sie promovierte im Graduiertenkolleg Musik und Perfor-mance an der Universität Bayreuth mit einer Arbeit zum Postdramatischen Musiktheater. Nach ihrem Magister-Studium der Theaterwissenschaft unter besonderer Berücksichtigung des Musiktheaters, der englischen sowie der neueren deutschen Literaturwissenschaft in Leipzig und Bayreuth war sie u. a. als wissenschaftliche Mitarbeiterin am fimt und als Lehrbeauftragte, z. B. an der Goethe-Universität Frankfurt, tätig.

 


Nachwuchskünstler*innen als Innovationshoffnung
Biografische Krise, ästhetisches Risiko?

10:45 – 11:45
Mit: Barbara Engelhardt, Benjamin Hoesch, Gerald Siegmund

Junge Theaterkünstler*innen haben seit der Jahrtausendwende mit der Gründung zahlreicher Nachwuchsfestivals an renommierten Stadt- und Staatstheatern sowie Häusern der Freien Szene einen ungekannten Interessenszuwachs in Theaterbetrieb und Öffentlichkeit erfahren. Dabei wollen sich die höchst unterschiedlichen Formate nie nur als individuelle Fördermaß-nah¬me verstanden wissen, sondern versprechen mit dem Einbezug neuer, bislang unbeachteter Künstler*innen Innovationen, die dem Theater Zukunftsperspektiven auch für die kommenden Generationen sichern: Ausblicke auf das „Theater von morgen“. Die Hoffnungen liegen also gerade auf Künstler*innen, die sich zwischen Ausbildung und Berufseintritt in einer biografischen Krise – einer Umbruchsphase der Entscheidung, mit ungewissem Fortgang – befinden. Genau deshalb werden ihnen Risikobereitschaft und Empörungskraft gegen bestehende Verhältnisse zugetraut – zugleich aber Bewährungsproben und Anpassungsdruck an etablierte Normen entgegengehalten. In diesem Spannungsfeld sind einerseits junge Regisseur*innen mit eigener Ästhetik und neuen Arbeitsweisen deutlich beschleunigt in Verantwortungspositionen und zu Auszeichnungen gekommen; andererseits verbleiben „Nachwuchskünstler*innen“ oft dauerhaft in der krisenhaften Außenposition kurzlebiger und unverbind¬licher Engagements für Festivals, Gastspiele oder Klein¬produk¬¬tionen. Insofern kann die Rolle der Hoffnungsträger*innen sowohl jungen Künstler*innen innovative Gestaltungs¬möglich¬keiten eröffnen, wie auch als rein diskursive Formation ohne organisationelle Konse¬quenz gerade institutionellen Beharrungskräften zuspielen – eine Ambivalenz, die in der Gleichzeitigkeit von Beifall und Skepsis gegenüber Nachwuchsfestivals in Öffentlichkeit wie unter betroffenen Künstler*innen selbst resultiert.
Das Panel umreißt dieses Spannungsfeld und stellt erste Befunde des Teilprojekts „Nachwuchsfestivals – Zwischen Event und der Suche nach neuen Formen“ vor. Anschließend wird im Gespräch mit Barbara Engelhardt erörtert, welche Rolle junge Künstler*innen für institutionelle Innovation spielen und welche organisationellen Bedingungen sie zu integralen Mitgliedern eines europäischen „Theater von heute“ machen können.

Gast:
Barbara Engelhardt ist seit 2017 Künstlerische Leiterin des Maillon, Theater der Stadt Straßburg – Europäische Bühne. Nach der Tätigkeit als verantwortliche Redakteurin von Theater der Zeit war sie von 2004 bis 2012 Kuratorin des Festivals Le standard idéal in der MC93 in Bobigny/Paris. In dieser Zeit gründete und leitete sie auch die beiden Nachwuchsfestivals Premières (von 2005 bis 2015 am Théâtre National de Strasbourg, später auch am Badischen Staatstheater Karlsruhe) sowie FAST FORWARD – Europäisches Festival für junge Regie (2010 bis 2016 am Staatstheater Braunschweig, 2017 umgezogen ans Staatsschauspiel Dresden).

Forschungsgruppenmitglieder des DFG-Teilprojekts
Nachwuchsfestivals – Zwischen Event und der Suche nach neuen Formen

Justus-Liebig-Universität Gießen/ Institut für Angewandte Theaterwissenschaft:

Benjamin Hoesch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Gießen im DFG-Teilprojekt. Nach dem Studium der Theaterwissenschaft und Literaturwissenschaft in Mainz, Valencia und Tel Aviv war er von 2013 bis 2018 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Mainz; gleichzeitig absolvierte er ein Masterstudium in Angewandter Theaterwissenschaft in Gießen, wo er mehrere studentische Festivals koorganisierte und -kuratierte. Mit eigenen Performance- und Musiktheaterarbeiten wurde er u.a. zu den Nachwuchsfestivals Körber Studio Junge Regie und Radikal Jung eingeladen.

Gerald Siegmund ist Professor für Angewandte Theaterwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Von 2015 bis 2018 war er dort Leiter des DFG-Projekts „Theater als Dispositiv“, das den Wandel der Produktions- und Rezeptionsweisen im Theater der Bundesrepublik seit 1970 untersuchte. Seine Forschungsschwerpunkte sind das Gegenwartstheater und der zeitgenössische Tanz, Theatertheorien, Performance, Intermedialität und die vielfältigen Grenzbereiche des Theaters zu den anderen Künsten.

 

 

Partizipative Formate
Laien als Innovationstreiber für neue Formate am öffentlich getragenen Stadt- und Staatstheater?

12:00 – 13:15
Mit: Elisabeth Luft, Bianca Michaels, Lukas Stempel

Starre Strukturen, Reformunfähigkeit und Inflexibilität werden insbesondere in den öffentlich getragenen Stadt- und Staatstheatern dafür verantwortlich gemacht, dass die Theater zunehmend Schwierigkeiten haben, ihre Existenz und die damit einhergehenden ökonomischen Belastungen für die jeweiligen Träger zu legitimieren. Trotz dieser im öffentlichen Diskurs allgegenwärtig erscheinenden Erstarrung der Stadt- und Staatstheater sind innerhalb der vergangenen 15 Jahre in der Spielplangestaltung der Häuser bereits quantitativ signifikante Veränderungen zu beobachten: Während die Anzahl der Veranstaltungen bei den Neuinszenierungen im Bereich Schauspiel keine auffälligen Schwankungen festzustellen sind, verzeichnet der Deutsche Bühnenverein in seiner jährlich erscheinenden Theaterstatistik an anderer Stelle signifikante Veränderungen: Allein die Gesamtsumme der Veranstaltungen der sogenannten „fünften Sparte“, welche in der Theaterstatistik unter den Rubriken „sonstige Veranstaltungen“ und „theaternahes Rahmenprogramm“ gefasst werden, hat sich in den vergangenen 15 Jahren verdreifacht. Anhand der Analyse der oben genannten neuen Formen eröffnet sich die Frage, ob bzw. inwiefern derartige Formate nicht nur den Spielplan einzelner Theaterorganisationen verändern, sondern wie diese aus einer Makroperspektive zugleich als Symptom oder sogar Motor einer grundlegenden Transformation auf institutioneller Ebene betrachtet werden können. Das Panel „Partizipative Formate“ präsentiert anhand ausgewählter Beispiele erste Zwischenergebnisse des Teilprojekts zur Neu-Formatierung als Symptom des institutionellen Wandels. Dabei liegt der Fokus insbesondere auf der Frage, welchen Stellenwert Formen mit nicht-professionellen Darsteller*innen im öffentlich getragenen Theater haben.

Forschungsgruppenmitglieder des DFG-Teilprojekts
Von Bürgerbühnen und Stadtprojekten – Neu-Formatierung als Symptom des institutionellen Wandels im gegenwärtigen deutschen Stadt- und Staatstheater

Ludwig-Maximilians-Universität München/ Institut für Theaterwissenschaft:

Elisabeth Luft ist Masterstudentin der Theaterwissenschaft an der LMU. Ihr Bachelorstudium absolvierte sie in den Fächern Deutsche Sprache und Literatur sowie Medienkulturwissenschaft an der Universität zu Köln. Seit März 2018 ist sie studentische Hilfskraft im DFG-Teilprojekt.

Bianca Michaels ist akademische Rätin an der LMU und Leiterin des DFG-Teilprojekts. In ihrer Forschungs- und Lehrtätigkeit setzt sie einen Schwerpunkt auf institutionelle Fragen des Gegenwartstheaters und hat wiederholt zu damit zusammenhängenden Fragestellungen geforscht und gelehrt. Darüber hinaus konzipierte und initiierte sie im Rahmen ihrer Tätigkeit als Mitgründerin und Leiterin (gemeinsam mit Christopher Balme und Antje Otto) der berufsbegleitenden Weiterbildung Theater- und Musikmanagement an der LMU verschiedenste praxisbezogene und kulturpolitische Podiumsdiskussionen, Workshops, Vorträge und Lehrformate. Seit 2016 ist sie Geschäftsführerin des Department Kunstwissenschaften.

Lukas Stempel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der LMU und Mitarbeiter im DFG-Teilprojekt. Nach dem Bachelor- und Masterstudium im Fach Theaterwissenschaft arbeitete er drei Jahre als wissenschaftlicher Koordinator und Leiter des Studienbüros am Department Kunstwissenschaften der LMU. Forschungsinteressen sind neben der Publikumsforschung in Kunst, Musik, Theater der Wandel der Institution Theater sowie die Struktur- und Organisationsveränderungen in deutschen Stadttheatern seit den 1990er Jahren.

 


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